Präimplatationsdiagnostik (PID), Abtreibung und Vorurteile

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    • Präimplatationsdiagnostik (PID), Abtreibung und Vorurteile

      Aus aktuellem Anlass, dem Gesetzesbeschluss im Bundestag, möchte ich dieses Thema gerne eröffnen. Mich beschäftigen die Themen PID und Abtreibung schon sehr lange.

      Grundsätzlich habe ich nichts dagegen, wenn bei der PID nicht lebensfähiges Leben (sprich: es ist klar, dass auch in unserer fortgeschrittenen Medizin das Baby nach wenigen Minuten/Stunden/Tagen sterben würde) herausgefunden wird und der Mutter nicht eingepflanzt wird.

      Ich glaube bloß nicht, dass die Diskussion an diesem Punkt zu Ende ist.
      Ich befürchte, dass die PID sich immer weiter öffnet. Bis sie irgendwann auch vor Muskelerkrankungen oder Trisomi 21 (Down-Syndrom) nicht halt machen wird!
      Aber eigentlich ist das ja sowieso egal – da gibt es ja noch die Abtreibung, die nicht solchen strengen Einschränkungen unterliegt.
      Ich habe gehört, dass 95% der Embryonen bei denen Trisomi 21 festgestellt wurde abgetrieben wurden!
      So etwas macht mich traurig und ich bekomme davon Bauchschmerzen... Ich kenne einige Menschen mit Down-Syndrom und die sind echt reizend. Viele „Downies“ haben Talente. Musik, Schauspiel, es gibt in Spanien sogar Einen der Mathe unterrichtet!

      Ich möchte nicht, dass das weiterhin so bleibt, bis es auch uns Muckis betrifft.
      Ich möchte dafür kämpfen, dass alle Menschen wissen, dass auch ein eingeschränktes Leben lebenswert sein kann!

      Dazu müssen wir den Menschen zeigen, dass die Vorurteile abgeschafft gehören.

      Ich habe heute gemerkt, dass sich bei manchen von uns (und ich schließe mich da nicht aus) die allgemeinen Vorurteile tief verwurzelt haben und wir ihnen (teilweise) auch entsprechen. Das finde ich erschreckend!

      Bei mir selbst äußert sich das, indem ich mir z.B. ins Krankenhaus besonders anspruchsvolle Literatur mit nehme, die ich dann lese bis die Ärzte im Zimmer sind.
      Bloß weil ich Angst habe, wie ein dummes, kleines Kind behandelt zu werden!

      Andere verstecken ihren Rollstuhl auf Fotos oder gehen mit ihrer Erkrankung nicht offen um.

      Es wird sich nie etwas ändern, wenn wir dafür nicht aktiv etwas tun! Unsere Mitmenschen können doch gar nicht „Urteilen“, wenn sie nichts über unser Leben wissen!
      Das Problem ist bloß, dass sie es trotzdem tun und wir dann wieder darunter leiden dürfen!



      Phuuuuuhhhh…. Das musste einfach alles Mal raus!


      LG und gute Nacht,
      Gloria.

    • Guten Morgen Gloria,

      diese beiden Themen PID und Abtreibung verfolge ich schon sehr lange und ich bin grundsätzlich gegen beides. Meiner Meinung nach, sollten sich Paare die wissen, dass sie ein behindertes Kind bekommen können vorher schon ganz genau überlegen ob sie es wagen ein Kind zu zeugen und dann aber auch dazu stehen und akzeptieren, dass es eine Behinderung hat. Wenn sie mit einem behinderten Kind nicht Leben könnten, dann sollten sie auf ein eigenes Kind verzichten und lieber an eine Adoption denken, denn es gibt genug Kinder die sich eine Familie wünschen und aus dem Kinderheim möchten.
      Mir ist natürlich klar, dass es nichts schöneres als eigene Kinder gibt, aber manchmal gibt es Umstände, die diesen Wunsch nicht wirklich zulassen. Auch ich hätte liegend gern ein eigenes Kind, aber eine Schwangerschaft wäre für mich mit einem hohen Risiko verbunden. Was hätte ich davon wenn ich dieses Risiko eingehen würde, bei der Geburt vielleicht sterbe? Nichts! Dem Kind und dessen Vater möchte ich das natürlich auch nicht zumuten. Deswegen siegt meine Vernunft, auch wenn mein Wunsch nach einem Kind riesig ist. Auf Grund meiner Behinderung werde ich außerdem auch kein Kind adoptieren können, weshalb ich vollkommen auf Kinder verzichten muss. Eltern, die gesund sind, aber eine Behinderung vererben können, können adoptieren, weshalb sie auf ein oder mehrere Kinder nicht völlig verzichten müssten.

      Seit gestern wird es allerdings so kommen, dass es eines Tages keine Erbkrankheiten mehr geben wird, weil alle Paare, die von ihrem defekten Erbgut wissen, die PID machen werden. Für den Staat eine feine Sache, denn er müsste weniger Hilfsmittel finanzieren und Kosten für verschiedene medizinische Versorgungen ausgeben. Ich glaube, dass dieser Gedanke eine sehr große Rolle bei der gestrigen Entscheidung spielte, denn einige Politiker/innen die vorher gegen die PID waren, waren gestern auf einmal dafür und so entstand eine Mehrheit für die PID.
      Für uns Menschen mit Behinderungen war das eine sehr große Ohrfeige, finde ich. Es hat doch wieder etwas von Herrn Singer, der die Behinderten aussortierte und umbringen ließ! Eine kleine Zelle, welche in der Petrischale schon auf Gendefekte untersucht und aussortiert wird, ist nämlich auch schon ein Lebewesen und hat somit ein Recht darauf Leben zu dürfen.

      Abtreibungen wegen einer Behinderung, finde ich auch entsetzlich! Jeder kann das Kind zur Adoption freigeben, wenn er mit einem behinderten Kind überfordert wäre.

      Nangala schrieb:

      ... Bis sie irgendwann auch vor Muskelerkrankungen oder Trisomi 21 (Down-Syndrom) nicht halt machen wird! ... Ich möchte nicht, dass das weiterhin so bleibt, bis es auch uns Muckis betrifft.


      Leider ist das gedacht und wird schon praktiziert. Eltern die wissen das sie ein Kind mit einer Muskelerkrankung oder Trisomi 21 bekommen können, können mit Hilfe der PID zu einem gesunden Kind kommen. Jedes bekannte Gendefekt innerhalb der Familie wird aussortiert.
      In einem anderen Forum zu meiner Behinderung wird die PID von den Eltern begrüßt, weil sie von nun an wissen, dass ein weiteres Kind auf jeden Fall keine SMA mehr haben wird, weil man die betroffene Zelle schon in der Petrischale aussortieren wird.
      Ich muss aber auch dazu sagen, dass einige von ihnen bereits ihr Kind beerdigen mussten, weshalb sie verständlicherweise gerne ein weiteres Kind hätten und sich deswegen ein gesundes Kind sehnlichst wünschen. Leider können sie sich auch kein adoptiertes Kind vorstellen.

      Gestern wurde bei kobinet.de schon viel zu dieser Entscheidung geschrieben. Vielleicht interessiert es dich?
      Liebe Grüße
      Sandra

      Wer Schmetterlinge lachen hört, weiß wie Wolken schmecken.
    • hallo ihr beiden,

      meine meinung zu dem thema ist, dass ich ein "selektieren" nicht gutheiße, weil ich - im umgekehrten sinne - vielleicht nicht auf der welt wäre, denn meine eltern haben schon ihr erstes kind mit 9 monaten verloren und wer weiß wie sie sich entschieden hätten, wenn sie gewusst hätten, dass ihr drittes kind (nachzügler) mit einer muskelschwäche auf die welt kommt. vielleicht wären sie das wagnis nicht eingegangen. ein lebenswertes leben habe ich trotz behinderung. führe ein anderes leben, aber es ist genauso wertvoll wie jedes andere. natürlich gibt es schwerstbehinderungen, wo zu überlegen ist ob der mensch ein lebenswertes leben führen kann. aber wer soll darüber bestimmen? und vor allem wo werden die grenzen gezogen? da kommt dann die berühmte frage nach der augen-, haarfarbe und geschlecht.

      lg - reginchen
      Das Leben ist wie ein Kieselstein - einzigartig, mit all seinen Formen und Farben :1f600:
    • da kommt dann die berühmte frage nach der augen-, haarfarbe und geschlecht.
      Haha, dazu fällt mir was ein :1f600: Sorry, auch wenn das Thema noch so ernst
      ist, muss ich grad grinsen, denn das erinnert mich an eine Diskussion,
      die wir mal in der Schule hatten (das waren noch Zeiten!! :1f609: ). Da ging
      es genau um diese Designerbabies, das heißt Babies, die man sich eben nach solchen Kriterien wie Augen- und Haarfarbe oder auch Intelligenz und Talent aussucht, bildlich gesprochen wie in einem Supermarkt, in dem du dir das Beste aussuchst. Oder auch wie auf einem Fließband, auf dem alle mangelbehafteten Produkte aussortiert werden.

      Ist eigentlich gar nicht lustig, ich weiß, und vor allem ist es gar nicht mehr wirklich irgendeine Science-Fiction-Vision, sondern immer realistischer. Ich finde die PID auch alles andere als gerechtfertigt, und gut schon mal gar nicht, denn (wie glaube ich auch schon erwähnt wurde) abgesehen davon, dass natürlich auch ein Leben mit Behinderung absolut lebenswert sein kann und keiner außer der/die Betroffene selbst das Recht hat, darüber zu urteilen, wo soll man die Grenzen ziehen? Wenn man also einen Zellhaufen aussortiert, weil aus ihm deutlich wird, dass daraus zum Beispiel mal eine Person mit Down-Syndrom entstehen wird, warum dann nicht jemanden, wo man weiß, dass er chronische Knieprobleme haben oder früh ne Glatze bekommen wird? So eine Art von Missbrauch liegt doch geradezu nahe.

      Das menschliche Leben verliert doch dadurch auch total an Wert, wenn man schon im Voraus so viel Einfluss darauf nehmen kann und es wird ja irgendwie auch zumindest zum Teil ersetzbar.


      Und dass wir uns irgendwann gegenseitig klonen, ist ja dann auch nicht mehr so abwegig.

      Ich meine, vielleicht hört sich das jetzt alles ein bisschen wie Spinnerei an, aber ich finde, das liegt alles gar nicht sooo weit auseinander. Schritt für Schritt in Richtung "Perfektion". Jeder Weg beginnt mit einem ersten Schritt, denke ich.

      (Kennt zufällig jemand das Buch "Brave New World" von Aldous Huxley? Da gibts auch einen Film zu, glaube ich.)


      Ich stimme dir übrigens auch völlig in dem Punkt zu, Gloria, dass die Vorurteile gegen Menschen mit Behinderung durch uns Betroffene teilweise geradezu gefördert oder zumindest nicht bekämpft werden. Ich rege mich zum Beispiel total darüber auf, wenn Leute mir, ohne dass ich sie darum gebeten habe, bei irgendwas helfen wollen (so eine Situation hatte ich zum Beispiel gestern im Supermarkt wieder) oder einfach nur doof gucken oder ihrem Vordermann "Vorsicht!" zurufen, denn - oh nein! - da kommt ja ein E-Rolli angefahren. Total gefährlich. :1f644:
      Andererseits muss man dann natürlich, um so etwas zu vermeiden, offen sein, wenn die Leute einen nach seiner Krankheit fragen. Natürlich sollte man dabei seine Privatsphäre wahren, wie jeder andere auch, aber ich persönlich finde es zum Beispiel weitaus weniger aufdringlich, wenn mich Leute fragen, warum ich dies oder das nicht kann oder welche Behinderung ich habe etc. als wenn sie mir ungefragt ihre "Hilfe" aufdrängen oder mich mit ihren Blicken durchbohren. Solche Fragen zeugen doch nur von ehrlichem Interesse, und was soll man sonst tun, um das Thema Behinderung in unserer Gesellschaft mehr in den Vordergrund zu rücken und die Akzeptanz dafür zu fördern?
    • Das hier ist übrigens auch noch eine sehr interessante Diskussion zum Thema PID: zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/vi…n-PID-Diskussion-komplett

      (Ein bisschen blöd oder unausgeglichen finde ich, dass die da zwar zwei Mütter von behinderten Kindern eingeladen haben, die FÜR die PID sind, aber keine, die dagegen ist. Ich bin mir sicher, dass es die auch gibt.)
    • Hallo zusammen,

      ich glaube jeder mit Behinderung stößt früher oder später an die Existenzfrage: warum ich, wofür, was wäre wenn...vieles davon bleibt nur "ein Nachdenken". :1f914:
      Ich bin so, wie mich die Natur auf die Welt gestellt hat mit meinen Schwächen, aber auch mit meinen Stärken. Manche Dinge kann ich nicht, dafür habe ich andere Dinge/ Wege entwickelt oder konnte sie einfach schon immer besser, als andere. :1f61b:
      Was heißt eigentlich behindert sein? Die Gesellschaft ist genormt. Gesellschaft und Entwicklung laufen in vorgegeben Bahnen. Die vorige Generation knüpft Erwartungen an die nachfolgende Generation...das war schon immer so. Wenn nun etwas abweicht, das nicht die Norm und Erwartung erfüllt. Dann ist es anders, unerwartet, nicht vorhersehbar...die schöne gerade Welt steht Kopf. :1f616:
      Ich ziehe meinen Hut vor Eltern, die auch diesen "Kopfstand" meistern und zu ihren behinderten Kindern stehen. Aber ich hebe nicht den Finger, wenn Eltern sich gegen diese Kinder entscheiden ..sei es durch PID oder Abtreibung. Wer entscheidet über Ach und Weh oder Leid und Wohl einer Familie? Die Politik? Ich als Betroffener klage an?
      Die Entscheidung liegt doch bei den Familien selbst....nur wenn eine Entscheidung getroffen ist, dann ist sie endgültig und man muß ein Leben lang damit leben. :1f631:

      Betrachtet die Situation bitte nicht nur aus Eurer Betroffenheit heraus. Es ist leicht aus der Etappe für einen Moment eine Familienproblematik zu beleuchten, seine Meinung zu bilden und anschließend wieder zur Tagesordnung überzugehen. Nicht jeder hat die Kraft und Stärke in der Gesellschaft zu bestehen. Sei es für sich selbst oder für seine Kinder.
      Da habe ich doch einen Heimvorteil...ich habe behinderungsbedingt von klein auf nichts anders als kämpfen gelernt und mir so meinen Platz erobert. :1f44a-1f3fb: Ich bin nicht behindert ...ich bin anders.

      Anders sein, heißt abweichen von der Norm, heißt neues.....heißt Veränderung und bedeutet Zukunft! :1f44d-1f3fb:

      Als in grauer Vergangenheit einer unserer Vorfahren nicht mehr auf die Bäume wollte, weil er mit seinen Füßen nicht mehr so gut greifen dafür aber besser laufen konnte, haben ihn die anderen auch nicht gleich um die Ecke gebracht. Er war anders als sie und trotzdem ließen sie ihn unbehelligt ziehen.
      Und darüber bin ich froh......sonst könnte ich Euch heute hier nicht schreiben. :1f600:

      Grüße Jack!
    • Jack! schrieb:

      Die Entscheidung liegt doch bei den Familien selbst....nur wenn eine Entscheidung getroffen ist, dann ist sie endgültig und man muß ein Leben lang damit leben.
      In dieser Hinsicht stimme ich Sandra absolut zu: Entweder, man will ein Kind und ist sich über mögliche Konsequenzen bewusst, oder man entscheidet sich aus bestimmten Gründen dagegen, zum Beispiel, weil man weiß, dass man die und die genetische Veranlagung hat und das Risiko besteht, dass man ein krankes Kind zur Welt bringt.

      Außerdem: Wenn es einem zur Wahl steht, die PID durchführen zu lassen, man sich aber trotz eines erhöhten Risikos (dessen man sich auch bewusst ist), dass das Kind mit der und der Krankheit zur Welt kommen könnte, dagegen entscheidet, was hat das dann langfristig für Konsequenzen, wenn das Kind tatsächlich später mit einer genetisch bedingten Behinderung zur Welt kommt? Ich meine, welchen Status haben Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft dann noch? Müssen die Eltern sich ununterbrochen rechtfertigen oder gar Vorwürfe machen, weil sie das "Schicksal" ihrer Kinder nicht umgangen haben? Werden sie von anderen deshalb seltsam beäugt und ausgegrenzt und werden sie allein dadurch, dass es diese Möglichkeit der PID gibt, nicht auch unter Druck gesetzt? Müssen die Betroffenen selbst sich zweitrangig fühlen, weil sie wissen, andere hätten sie aussortiert? Es ist jetzt schon so, dass es Menschen mit Behinderungen gibt, die sich selbst als Belastung für andere sehen und sich so wenig Rechte wie möglich einräumen, Hauptsache, sie fallen nicht auf. Würde, wenn die PID zur gängigen Praxis wird, sich dieser Effekt nicht sogar noch verstärken, weil diese Behinderten theoretisch zu ewigem Dank jeweils der Person verpflichtet sind, die sie nicht aussortiert, sondern ihnen ein Recht auf Leben eingeräumt hat?

      Ich finde, und das sage ich jetzt nicht aus der Sicht einer Betroffenen heraus, dass mit solch einer Präimplantationsdiagnostik unumgänglich auch eine allgemeine Abwertung oder Klassifizierung des Lebens einhergeht, weil ja automatisch Bewertungskriterien geschaffen werden.

      Dabei leugne ich an keiner Stelle, dass ein behindertes Kind für seine Familie auch eine große Belastung sein kann, doch es gibt eben Dinge im Leben, die kann man nicht beeinflussen. Und, so traurig das auch ist, ein Kind zur Welt zu bringen, ob behindert oder nicht, ist eben nicht immer eine Entscheidung fürs Leben, sonst würde es ja nicht so viele vollgestopfte Heime geben. Außerdem wird (wie auch der Dr. in der Diskussion von dem Link, den ich gepostet habe, sagt, wenn auch in einem anderen Zusammenhang (falls das jemand geguckt hat)) schließt die PID keineswegs aus, dass man ein behindertes Kind zur Welt bringt. Denn es ist ja nur ein Anteil der "Andersartigkeiten", von denen man "betroffen" sein kann, die genetisch bedingt sind.




      [Eine Anmerkung noch zu dem, was Jack! gesagt hat: auch wenn der ein oder andere das Wort vielleicht nicht mag oder sich selber nicht so bezeichnen würde, sage ich Behinderte (und auch ich selbst bezeichne mich mittlerweile so, auch wenn es Zeiten gab, als ich damit Probleme hatte). Ich will ja auch nicht Andersartige o.ä. sagen, denn das setzt voraus, dass ich eine konkrete Vorstellung von der Norm habe und dass ich von vornherein von einer Ausgrenzung ausgehe. Klar, man könnte jetzt sagen, behindert, das klingt so, als würde die Behinderung einen behindern und das sei ja auch nicht besonders positiv gedacht, aber auch wenn es vielleicht Dinge gibt, die ich trotz oder gerade wegen meiner Behinderung besser als andere kann, bin ich ja trotzdem in bestimmten Lebenssituationen behindert, weil ich einfach nicht alleine klarkomme. Außerdem wüsste ich gar nicht, wie ich das sonst bezeichnen würde. Letzten Endes denke ich, dass es darauf ankommt, hervorzuheben, dass Behinderte und Nichtbehinderte eben gar nicht so verschieden sind, wie oft vorausgesetzt wird. Darum würde ich mich nicht als anders bezeichnen. Man will ja akzeptiert und integriert werden. Dafür soll man sich natürlich auch nicht verbiegen, aber zu sagen, dass man wegen seiner Behinderung anders ist, ist meiner Meinung nach die falsche Herangehensweise. Natürlich kann man anders sein, egal ob behindert oder nichtbehindert.]


      So ... so viel wollte ich gar nicht schreiben und jetzt ist es auf einmal auch schon viel später, als erwartet.
      Gute Nacht!
    • Wie so oft bin ich auch in dieser Frage hin- und hergerissen. Grundsätzlich teile ich sehr die geäusserten Bedenken zur PID. Auf der anderen Seite ist es für mich schon ein gewisser Widerspruch, dass pränatale Diagnostiken vorgenommen werden, eine PID aber nicht erlaubt ist.

      Hier in der Schweiz übrigens kommt die Diskussion über dieses Thema noch auf uns zu. Der Bundesrat hat im Juni einen Entwurf in die Vernehmlassung gegeben, der eine ähnliche Regelung vorsieht wie die jetzt in Deutschland beschlossene (momentan ist die PID nicht erlaubt). Die Einführung der PID bedingt eine Verfassungsänderung, und eine solche wiederum ist nur möglich mit einer Volksabstimmung. Es wird somit zu einer breiten öffentlichen Debatte über dieses Thema kommen, was ich auch gut finde.
    • Hallo Clemens,

      Clemens schrieb:

      Auf der anderen Seite ist es für mich schon ein gewisser Widerspruch, dass pränatale Diagnostiken vorgenommen werden, eine PID aber nicht erlaubt ist.

      das stimmt schon irgendwie, aber irgendwie auch nicht. Die pränatale Diagnostik und die häufig bei festgestellter Behidnerung damit verbundenen Abtreibungen auch bis zur 35(!) SSW können die Präomplatationdiagnostik nicht rechtfertigen. Im Grundsatz geht es bei dieser Diskussion auch die Frage, ab wann steht dem Mensch der Schutz des Grundgesetztes, also das Recht auf Unverserheit, zu. Behinderte Embryos genießen den gesetzlichen Schutz mittlerweile erst ab der Geburt, nichtbehinderte Embryos ab der 15. SSW. Diese Ungleichbehandlung finde ich skandalös.

      Viele Grüße
      San
      LG Sun :2600:

      Niemals aufgeben.
    • hallo sun d,

      da ich das nicht wusste, ab wann das recht auf unversehrtheit besteht und du schreibst ab wann sie für behinderte und nichtbehinderte besteht, gehe ich absolut konform, dass das ein skandal ist. noch nicht geboren und schon besteht eine ungleichbehandlung :270b-1f3fb:

      lg - reginchen
      Das Leben ist wie ein Kieselstein - einzigartig, mit all seinen Formen und Farben :1f600:
    • Hallo zusammen,

      dann will ich zu dem Thema auch mal meinen Senf dazu geben. Es ist doch nichts natürliches mehr dran, wenn aussortiert wird und wie bereits viele schreiben läuft das wirklich auf eine art Designerbaby raus. Die Natur sortiert aufgrund von Mutationen aus. Diese Mutation kann wie bei uns Muckis auch mal daneben gehen, aber deswegen kann doch nicht von anderen Menschen geurteilt werden wer ein Recht auf Leben hat. Wenn es einer entscheiden darf ist es die Natur. Das schlimme an der PID ist, man hat ein Risiko den Embryo durch die Untersuchung zu verletzen und somit zu einem behinderten Embryo zu machen, mal davon ab, das wie bereits erwähnt nicht alle Behinderungen/Erkrankungen die es gibt damit diagnostiziert werden können. Wie Sandra bereits schrieb muss man sich als Eltern doch bewusst für ein Kind entscheiden, mit allen Risiken die es mit sich bringt. Aussage meiner Mutter war, wenn ich das gewusst hätte das du mal sowas bekommst hätte ich das Geld für eine Nabelschnurblutentnahme gespart, dann hätte man dir besser helfen können. Ja hätte, wenn bringt mir auch nichts. Es ist wie es ist. Und wenn meine Mutter gewusst hätte, das ich eine Muskelerkrankung bekomme wäre ich wahrscheinlich auch nicht auf der Welt und das fände ich sehr schade. Genauso wie meine Eltern oder Geschwister mich nicht missen möchten. Außerdem haben mich meine Einschränkungen zu dem Menschen gemacht der ich heute bin, ich habe viel gelernt und sehe vieles anders. Und ganz ehrlich, ich möchte nicht anders sein als ich bin, denn mit einer Behinderung kann man leben. Und anders bin ich nicht, ich bin körperlich eingeschränkt, aber deswegen bin ich doch nicht weniger wert als ein "normaler" Mensch. Und was "normal" ist schreibt die Gesellschaft vor, also muss man dort das Bewusstsein ändern, da gebe ich Gloria absolut recht.
      Wie Sandra schrieb, auch ich habe einen großen Kinderwunsch gehabt, den ich mittlerweile ad akta (schreibt man das so?) gelegt habe, da mir keiner genau sagen kann was mit meiner Erkrankung durch die Schwangerschaft passiert, alles ist möglich. Es wäre auf jeden Fall ein Risiko und eine große Belastung. Und was ist nach der Schwangerschaft, nach der Geburt, wie soll ich das Kind versorgen, alleine unmöglich. Klar gibt es viele Wege, aber was ist wenn das Kind behindert auf die Welt kommt, keine Muskelerkrankung, irgendwas anderes. Nein das geht nicht. Und eine PID kommt für mich nicht in Frage. Dann lieber Kinder unterstützen die im Heim leben, aber es muss nicht zwingend ein eigenes sein.
      Und aus meinem Leben ein Beispiel: Der Enkel meiner ehemaligen "Stiefmutter" kam mit einem gravierenden Herzfehler zur Welt. Er wurde direkt nach der Geburt mit einem Hubschrauber in eine Spezialklinik verlegt und sofort Not operiert. Der kleine Kerl ist mittlerweile fast 6 Jahre, ein goldiges, lebensfrohes Kind. Wenn man die PID genutzt hätte würde es diesen Jungen nicht geben. Bei dem Gedanken daran läuft es mir eiskalt den Rücken herunter.

      Niemand hat ein Recht über Leben und Tod zu entscheiden, außer jeder selber für sich! Denn was der eine nicht lebenswert findet, ist es für den anderen vielleicht trotzdem.

      Behinderte Embryos genießen den gesetzlichen Schutz mittlerweile erst ab der Geburt, nichtbehinderte Embryos ab der 15. SSW. Diese Ungleichbehandlung finde ich skandalös.

      Absoluter Wahnsinn! Wer hat das Recht so zu entscheiden?

      In der Steinzeit wäre ich vermutlich von einem Tiger gefressen worden, weil ich muskelkrank bin. Somit hätte die Natur ausselektiert. Heutzutage wird anders aussortiert: "Jemand spielt Gott und entscheidet über lebenswert oder nicht!" Das geht gar nicht!

      Grüßle
      Saskia
      Nach jedem Regen folgt auch wieder Sonnenschein!!

      Alles wird gut! :1f44d-1f3fb:
    • Hallo,

      mich gäbe es mit Sicherheit auch nicht, "hätte man das vorher gewußt", da mache ich mir nichts vor. Ich liebe mein Leben, auch wenn es an manchen Punkten nicht einfach ist. Aber bei wem, der keine Behinderung hat, ist da nicht auch so? Bin ich eine Belastung für meine Umwelt? Ich weiß es nicht und versuche, das so wenig wie möglich zu sein. Ja und Kinder zu haben, das wäre vielleicht auch nett gewesen im Leben. Aber ich vermisse es nicht und erst recht, wenn ich in meinem Bekanntenkreis sehe, daß die Wünsche und Hoffnungen, die viele auf ihre Kinder projezieren, von diesen eben nicht erfüllt werden.

      Viele Grüße
      San
      LG Sun :2600:

      Niemals aufgeben.
    • hallo ihr,

      bevor wir geheiratet haben, wollten wir unbedingt das thema kind ja/nein abklären. meine biologische uhr tickte und meine freundinnen um mich herum haben alle kinder bekommen. und nicht nur eins, sondern 2 bis 3 kinder. gefreut habe ich mich jedes mal für sie und meine sehnsucht wuchs mit jedem kind. habe endlose debatten mit meinem mann geführt, weil er der vernünftigere in unserer beziehung ist und ich die impulsive. mit jedem artikel - rollstuhlfahrerin bzw. behinderte bekommt kind - bin ich bei meinem mann vorstellig geworden. habe zwar nicht in jeden kinderwagen geschaut, aber es tat mir in der zeit trotzdem weh. die gefühlslage war so, dass ich unbedingt ein kind haben wollte und das die probleme schon irgend wie zu bewältigen sind und mein mann stand nicht 100 % dahinter. wenn wir aber ein kind bekommen hätten, dann hätte ich ihn zu 150 % gebraucht, denn ich hätte viele dinge nicht selbst machen können. bei freundinnen habe ich die babys auf dem arm gehabt und sofern sie etwas größer und damit schwerer wurden, dann konnte ich sie nicht mehr halten. wir wohnten zu der zeit zu allem überfluss im ersten stock (konnte damals noch besser treppen steigen) und alles war von vorne bis hinten mit problemen behaftet. mein gefühl sagte mir aber trotzdem, dass schaffen auch andere frauen, warum ich/wir denn nicht. es war eine grausam zermürbende zeit und es ging fast unsere ehe dabei in die brüche. es war eine bewährungsprobe für uns und letzten endes hat mein mann entschieden, dass wir keine kinder haben werden. tief in meinem inneren/herzen habe ich gespürt, dass er mit der entscheidung recht hat, denn ich kam mit mir und meinem leben ganz gut zurecht. mit einem kind wäre es mega anstrengend für mich geworden. sehen wir mal von der ganzen vererbungsgeschichte ab, denn ich hätte meine muskelschwäche bestimmt weiter vererbt und wenn alles schief gelaufen wäre, hätte mein mann seine sehbehinderung auch noch mitgegeben. nach dem wir uns entschieden haben, haben wir vor 18 jahren geheiratet und ich bin, ganz ehrlich :1f91d: :1f91d: :1f91d: , froh über die entscheidung, denn ich weiß nicht wie ich die schwangerschaft überstanden hätte und auch das weitere umgehen mit dem kind. ein paar jahre später haben wir uns katzen angeschafft (ich gebe es zu, sie waren damals mein kindersatz) und heute bin ich mehr als erleichtert. trotzdem finde ich es klasse, wenn sich paare (mit oder ohne behinderung) für kinder entscheiden.

      lg - reginchen
      Das Leben ist wie ein Kieselstein - einzigartig, mit all seinen Formen und Farben :1f600:
    • Hallo,

      wenn eine gesunde junge Frau aber erst durch die PID ein lebensfähiges Kind bekommen kann, weil Sie schon 3 oder 4 Fehl-oder Totgeburten hinter sich hat? Dann finde ich die PID gut.
      Aber auch die PID gibt keine Garantien, dass das Kind nach der Geburt gesund ist oder bleibt. Viele Behinderungen entstehen auch erst bei der Geburt z.B. durch Sauerstoffmangel. Da nützt die ganze PID dann auch nichts mehr.

      Liebe Grüße :1f44b-1f3fb:

      Claudia
    • Moin,

      diesen Link
      behindertenbeauftragter.de/Sha…PM32_PIDBeschluss_cm.html
      fand ich auf meinem Dienstrechner, wegen meines Urlaubs kann ich ihn erst heute präsentieren.

      Meine Tochter ist jetzt 31 Jahre alt, sie ist ebenfalls mit HMSN ausgestattet. Hätte es vor 32 Jahren die PID gegeben, hätten sich meine Frau und ich grundsätzlich und trotzdem für unser Kind entschieden, außerdem waren meine krankheitsbedingten Einschränkungen zu jener Zeit minimal.

      So wie ich meine Tochter kenne, wird sie sich zu gegebener Zeit trotz PID für ihr Kind entscheiden, da bin ich mir sicher.

      Viele Grüße

      Archi
      Mein Gott, hilf mir, diese tödliche Liebe zu überleben (Eastside-Gallery, Berlin)
    • Guten Morgen,

      claudialucki schrieb:

      weil Sie schon 3 oder 4 Fehl-oder Totgeburten hinter sich hat?
      sofern die Fehl- oder Totgeburten mit einem Gendefekt einhergehen, kann die PID angewandt werden, ansonsten nicht. Oder liege ich da jetzt falsch?

      @Archi:

      Eure Einstellung finde ich vorbildlich!

      Verstehen kann ich die Eltern, die aufgrund einer Behinderung ihr Kind bereits beerdigen mussten und sich sehnlichst ein gesundes Kind wünschen, aber muss es den auf Biegen und Brechen ein eigenes Kind sein? Viele süße und liebenswerte Kinder sitzen in Heimen und würden sich wünschen, dass sie liebe Eltern bekommen würden. ....

      Ich habe eigentlich schon sehr viel darüber gepostet, nicht hier, aber in einem anderen Forum und wurde da heftig angegriffen, weshalb ich besser hier darüber nicht weiter schreiben werde. Obwohl ich froh bin, dass dieses Thema hier nicht ausartet und man vernünftig seine Meinung äußern kann ohne Streit zu entfachen. Dafür möchte ich mich bei euch bedanken!! Ihr seid wirklich toll!
      Liebe Grüße
      Sandra

      Wer Schmetterlinge lachen hört, weiß wie Wolken schmecken.
    • Hallo Sandra,

      da liegst Du richtig. Die meistens Fehl- oder Todgeburten kommen halt von so extremen Gendefekten, dass die Kinder erst gar nicht lebensfähig wären.
      Und bei manchen Frauen passiert dass immer wieder. Eine Freundin von mir, hatte auch zwei Fehlgeburten, aber nach jeder Fehlgeburt ist sie wieder schanger geworden und hat dann auch das jeweilige Kind dann ausgetragen. Beide Kinder sind gesund. Inzwischen 12 und 7 Jahre alt.

      Liebe Grüße Claudia :1f44b-1f3fb: